2 Nächte und ein voller Tag im Zug

Gefühlt bin ich 1000 Mal aufgewacht und gleich wieder eingeschlafen. Das ständige Ruckeln, Anhalten und wieder losfahren lässt echt keinen richtigen Schlaf zu. Aber das war natürlich keine Überraschung für mich und ich hatte es auch nicht anders erwartet.

Das junge Mädchen von Bett 14 steht um 5:45 Uhr plötzlich auf. Da sie Probleme mit dem öffnen der Abteiltüre hat und ihr Freund/Mann über ihr noch schläft, helfe ich ihr. Als sie nach kurzer Zeit zurück kommt, wird sie total gesprächig. Sie spricht astreines Englisch. Auf ihren für mich eindeutigen Akzent angesprochen, erzählt sie 4 Jahre in den Vereinigten Staaten (hauptsächlich New York) gelebt zu haben. Ja, in Deutschland war sie auch schon 2 Jahre zum Masterstudium in Berlin. Aber Deutsch kann sie nicht, das Studium war in Englisch. Als wir gerade so richtig im Gespräch sind, erreichen wir Nha Trang und Sie, sowie ihr Begleiter, müssen aussteigen.

Um 6:30 Uhr fahren wir, nach meinem Fahrplan mit einer Verspätung von 1 Stunde, wieder ab. Die Scheiben des Zuges sind sehr schmutzig und milchig, so dass ein Fotografieren durch das Glas etwas schwierig ist.

Die beiden freien Betten werden gleich nachbesetzt und der Schaffner richtet die Leintücher, Kissen und Decken. Er wechselt aber nichts, sondern verwendet die bereits benutzten. Da hoffe ich mal, dass sie wenigstens am Abfahrtsort alles wechseln bzw. gewechselt haben. Da ich auf der Glückszahl Bett 13 sitze, kommt zu meinem Glück ein Kleinkind mit Mutter und Oma mit ins Abteil (ich schätze ca. 9 Monate alt). Keiner spricht Englisch und Oma breitet ihr mitgebrachtes Essen, welches auch für das Baby ist, auf dem Tisch aus.

Das verpackte Brötchen (gelber Pfeil) hat mir das Mädchen, welches über mir liegt, geschenkt. Das gefüllte Bao Brötchen habe ich mir beim Zugpersonal gekauft. Die fahren ständig mit kleinen Wagen mit Essen und Getränken durch die Gänge.

Die letzten beiden Wagen (Nr. 8 und 9) sind ältere Wagen mit 4-er Schlafabteil mit Holztüren und Holzvertäfelung im Innern. Ab Wagen Nr. 7 sind moderner aussehende Wagen mit 4-er und weiter vorne auch 6-er Abteil Bestandteil des Zuges. Auch die Waschbecken, die sich am Anfang/Ende des Wagens befinden, sind moderner als bei unserem alten Wagen.

Die Wagen 2 und 1 sind keine Schlafwagen, hier handelt es sich um gut klimatisierte Sitzwagen.

Ganz vorne, hinter der Lokomotive, ist ein sog. Restaurantwagen. Als ich dort vorbeischaue befindet sich darin nur Zugpersonal. Da hier auch geraucht wird und die Luft dementsprechend schlecht ist, trete ich sofort den Rückwärtsgang ein.

Am Eingang zum Wagen 9 befindet sich ein sog. Samowar. Auf meiner Fahrt Frankfurt – Wien – Bratislava – Kiew – Moskau – Ulan Bator – Peking im Jahre 2013 durfte ich so ein Gerät schon in den Russischen Zügen kennenlernen.

Es wird hier rund um die Uhr sehr heißes Wasser zur Verfügung gestellt. Praktisch, denn da kann ich mir eine meiner beiden gestern gekauften Fertigsuppen zum Frühstück machen.

Um 08:55 Uhr sind wir in Tuy Hoa mit einer Verspätung von 1 Stunde und 10 Minuten angekommen. Das ist der 8. Halt seit dem Start in Saigon, die zurückgelegte Strecke seit Start beträgt 528 Kilometer, was er Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 46 km/h entspricht.

Kartenausschnitt von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL

Bis jetzt passiert sehr wenig während der Fahrt und es gibt auch wenig bis gar nichts zu berichten. Ich schaue mir die vorbei ziehende grüne Landschaft, abwechselnd mit Meeresblick, an. Ab und zu schaue ich auf dem Laptop einen Film an oder mache einfach nichts.

So gegen 15:00 Uhr steigt das Mädchen über mir, mit ihrem schweren Koffer, aus dem Zug aus. Allerdings ist sie plötzlich wieder im Abteil. Wenn ich es richtig verstanden habe, war sie versentlich eine Station zu früh. An der nächsten Station steigt sie dann wirklich aus. Die Kleine gegenüber hat auch keine Lust mehr zum Fahren und macht ihrem Unmut ab und zu lautstark Luft. Ihre Mama spielt ihr dann sehr laute Videos (Baby Shark Lied, kann es nicht mehr hören) ab. Irgendwann wird es mir zu viel und ich setzte meine Bose Kopfhörer auf, da höre ich nur noch wenig von der Umgebung.

Um 17:15 Uhr kommen wir in Da Nang an und haben mittlerweile 935 Kilometer auf dem Buckel, also schon deutlich mehr als die Hälfte. Da Nang hat einen Kopfbahnhof.

Hier stehen wir ewig und ich springe kurz raus zu einer der Händlerinnen und besorge mit 2 große Flaschen Wasser und eine kalte Dose Cola. Wie oft auf der Strecke oder in Bahnhöfen müssen wir wegen eingleisiger Bahnstrecke den Gegenverkehr passieren lassen. Erst kurz vor 18:00 Uhr (aktuelle Verspätung 1 Stunde und 20 Minuten) fahren wir, in umgekehrter Richtung, aus dem Bahnhof und passieren diesen Bahnübergang in der Abenddämmerung.

Der Platz über mir ist seit Da Nang auch wieder besetzt, ein älterer Mann in Stoffhose, feste Schuhe und ein Aktenkoffer. Die umgekehrte Fahrtrichtung hat den Vorteil, dass ich nun das Meer auf der Fensterseite im Abteil und nicht außerhalb auf dem Gang habe.

Um 22:00 Uhr steigen Oma, Mama und Kind nach mehrfacher Verabschiedung in Dong Ha aus. Der Platz unten gegenüber sollte aber nicht lange Frei bleiben, den nachdem die 3 ausgestiegen sind, kommt der Mann über mir mit einer älteren Frau und großem Koffer ins Abteil. Keine Ahnung, ob sie hier eingestiegen ist oder nur an einem anderen Platz saß, weil nichts mehr in einer Kabine für Beide frei war. Klar ist aber, die Beiden gehören irgendwie zusammen, denn irgendwann sitzen sie nebeneinander Händchen haltend auf der Sitzbank gegenüber. Da sie sich laut unterhalten und scheinbar nicht an schlafen denken, packe ich wieder den Laptop und die Kopfhörer aus und schaue eine Serie. Kurz nach Mitternacht werden sie dann doch müde und legen sich auf ihre Plätze und schalten das Licht aus. Ich schaue noch eine Folge fertig und schlafe (mehr oder weniger) dann auch.

Um 4:00 Uhr werde ich wach, da die Beiden ihre Koffer richten und wieder auf der Sitzbank sitzen und reden. Wie rücksichtsvoll, ich stelle mich schlafen, sonst platzt mir der Kragen. Nachdem wir wieder ewig an einer Ausweichposition warten mussten, fahren wir um 4:30 Uhr in Vinh ein und die Beiden steigen aus. Vorher stupsen sie mich noch an, um sich zu verabschieden. Die haben Nerven um halb 5 Uhr Morgens.

Ab jetzt bin ich alleine im Abteil und kann tatsächlich noch 2 Stunden mit leichten Unterbrechungen schlafen. Ich fühle mich eigentlich gang fit, bin aber trotzdem froh, wenn ich in Hanoi ankomme. Nachdem ich mir noch die 2. Suppe zum Frühstück warm gemacht und bei etwas deutschem Radio über das Internet  gegessen habe, fahren wir um 7:15 Uhr in Thanh Hoa ein.

Da wir gleich wieder nach ein sehr kurzen Halt losfahren, beträgt die aktuelle Verspätung nur noch knappe 30 Minuten. Bis Hanoi sind es noch 4 Halte, 175 Kilometer und ca. 4 Stunden Fahrzeit.

Um 8:30 Uhr sind wir in Ninh Binh, während der letzten Stunde hat es durchgehend geregnet. Hier kommen wir bereits mit 30 Minuten Verspätung an, so dass es wieder etwas mehr geworden ist.

Der ist gestern schon den ganzen Tag im Zug im Schlafanzug herum gelaufen und hat in seinem Abteil (neben unserem, hat gestunken wie S..) geraucht. Jetzt steht der Held im Schlafanzug auf dem Bahnsteig. Aber das ist in Asien nicht Besonderes, bei uns auf dem Markt in Thailand siehst du morgens viele jungen Frauen mit dem Schlafanzug auf dem Moped oder beim Einkaufen.

Nach einer Wartezeit von 10 Minuten wegen eines entgegen kommenden Zuges, fahren wir um 8:45 Uhr weiter.

Etwa 1 1/2 Stunden vor Ankunft fängt einer der Zugbegleiter an, sämtliche Bettwäsche (auch von den Kissen) abzuziehen und mitzunehmen. Außerdem fegt er den Gang und die Abteile aus.

Um 10:55 Uhr fahre ich am Bahnhof Hanoi mit einer kleinen Verspätung von 20 Minuten ein, meine Fahrkarte musste ich, außer am Eingang in Saigon, nicht noch einmal vorzeigen.

 

Da Hanoi auch einen Kopfbahnhof hat, fährt mein Wagen Nr. 8, der wie gesagt nun fast ganz vorne ist, bis ans Ende (oder ist es der Anfang?) des Bahnhofes. Die letzte Etappe, in die Hauptstadt Vietnams, meines Trips kann beginnen.



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